Das Recht der Frauen auf Erwerb

Louise Otto-Peters, 1866

Der Beruf der Frauen! Welche lieblichen Bilder entfaltet man vor uns, wenn diese Worte ausgesprochen werden! Da steht sie die weißgekleidete Braut, mit dem grünen blühenden Myrthenkranz und dem wallenden Schleier im schön geordneten Haar, da steht sie an der Seite des Bräutigams, umringt von ihren Gespielinnen, gesegnet von einem zweifachen Elternpaar, der Mittelpunkt des fröhlichen Hochzeitfestes – Alles hat nur Augen für sie, Alles ist nur darauf bedacht sie zu beschenken, zu verherrlichen, ihr zu dienen – sie ist die Königin des Festes; diese Blumen, diese Guirlanden, diese Gesänge – sie gelten ihr. Der Bräutigam, im vorschriftsmäßigen schwarzen, unpoetischen Anzug, verliert sich fast daneben – er spielt gewissermaßen die zweite Rolle. Aber alle die Aufmerksamkeiten, die man seiner Braut widmet, alle die Beweise der Freundschaft und Verwandtenzärtlichkeit, welche diese empfängt, sagen ihm ja, welch‘ ein Kleinod er erworben.

Und ist nicht jenes Bild dem ersten an Reiz zu vergleichen, wenn die junge Frau im einfachen, aber zierlichen Hauskleid in den Räumen waltet, die nun ihre Häuslichkeit bilden? Alles, was sie umgiebt, ist neu und modisch, nur eben frisch aus den Werkstätten der Industrie und des Handwerks hervorgegangen. Und nicht die Zimmer allein, versehen mit all‘ dem Schmuck, den die Hand der Liebe und der Kunst gespendet, sind mit reizenden Schmuckkästchen zu vergleichen: selbst die Küche steht nicht nach an Nettigkeit und Sauberkeit. Da ist an dem einfachen Holzgeräth noch kein Fleckchen zu entdecken, da funkeln und blitzen noch alle Blechgefäße in ihrem natürlichen Stahlglanz oder im bunten Lack, und Heerd und Kochmaschine mit porzellanartigen Fließen tragen keine Spuren von Rauch und Ruß. Wie wohl steht es der jungen Hausfrau, wenn sie hier ab- und zugeht und sich keine Ruhe gönnt, bis sie weiß: das Lieblingsgericht ihres Mannes ist nun so gelungen, daß er sagen wird: es habe ihm nie, auch nicht in dem größten Hotel so gut geschmeckt! Und wenn er nun heim kommt aus seinem Geschäft, von seinem Beruf und das wirklich sagt, wenn er allein mit ihr an dem Tische sitzt, den sie selbst gedeckt, wenn er die Hand küßt, die vielleicht um seinetwillen sich ein bißchen verbrannte, und wenn er dann nach dem Mittagsmahl ein Stündchen in ihren Armen auf dem Sopha ruht von den Anstrengungen, vielleicht Widerwärtigkeiten seines Berufes, die nicht hierher in dies stille Asyl seiner Liebe dringen dürfen – wie reich belohnt ist dann die liebende Gattin, in welchem rosenfarbenen Lichte erscheint ihr dann ihr Geschick, was sind all‘ ihre Mädchenfreuden gegen diese Momente süßester Genugthuung!

Aber es giebt noch ein reicheres Bild des Frauenlebens: es ist die Mutter im Kreise ihrer Kinder. Mag sie das jüngstgeborene Kind auf dem Arme tragen oder es in der Wiege zum Schlummer singen, mag sie ihren größeren Kindern Märchen erzählen oder die älteren bei ihren Schularbeiten beaufsichtigen, ja mag sie selbst an ihren Krankenbetten wachen und beten: es ist ein Bild, welches das Weib in seiner natürlichen Glorie, in seiner Unentbehrlichkeit zeigt.

Und schön ist auch noch das Loos der alten Frau, wenn sie an der Seite des mit ihr alt gewordenen Gatten noch immer freudig und rüstig waltend die erste Vorsteherin des Hauses ist. Schön auch noch dann, wenn es wieder leer und still geworden in den einst durch blühende Kinder belebten Räumen, weil jene nun längst selbst ihren eignen Heerd sich gegründet haben. Aber Festtage giebt es, wo sich die Kinder mit den lieben Enkeln wieder im alten Elternhaus versammeln, alle Kindererinnerungen wieder aufgefrischt werden und alle durch ihr Thun und Treiben bekunden: der Vater ist das Haupt der Familie, aber die Mutter ist das Herz derselben – an das flüchteten sich immer alle Glieder des Hauses, die einmal etwas auf dem Herzen hatten, und sie flüchten sich noch jetzt daran, wenn Stürme des Lebens kommen und finden in ihrer Milde, in ihrer nach Prüfungen aller Art erkämpften und darum bleibenden Heiterkeit den verlernen Frieden wieder. Um den Segen der ehrwürdigen Matrone, die ihr ganzes Leben lang nur darauf bedacht gewesen Segen um sich auszubreiten, flehen alle, die zu einer solchen gottbegnadeten Familie sich Zählen dürfen, in der die Liebe das Haus nicht allein erbaute, sondern auch bewachte, daß die Geister des Hasses und der Zwietracht, ja nur des Eigennutzes und des Zwistes für immer daraus verbannt waren.

Heil den Frauen, die all‘ das erlebten, denen ein solcher Beruf zu Theil ward und die es verstanden ihn auszufüllen! ! Das, was wir da schilderten, ist der schönste und gewissermaßen leichteste, weil von der Hand der Natur selbst einfach vorgezeichnete Beruf der Frauen – daß man es aber als den einzigen derselben hinstellt, ist einerseits eine Verwirrung der Begriffe überhaupt und steht andererseits im grellen Widerspruch mit allen Verhältnissen, wie sie im Laufe der Zeit sich herausgebildet haben.

Die Begriffsverwirrung liegt schon einfach darin, daß nicht etwas, was von der Zufälligkeit des Geschickes abhängt, Beruf und Bestimmung des Menschen sein kann. Es ist eine allbekannte Thatsache, daß schon im Kindesalter mehr Knaben als Mädchen sterben und eben so, daß mehr Frauen als Männer ein hohes Alter erreichen. Daraus allein geht schon hervor, daß nicht jedes Mädchen sich verheirathen kann – außerdem, daß noch die statistischen Tabellen aller Länder nachweisen, daß sich die Ehen vermindern, daß viele Männer gar nicht heirathen und dadurch noch viel mehr Mädchen sich genöthigt sehen, auf das Glück der Ehe und der Erfüllung jedes damit zusammenhängenden weiblichen Berufs zu verzichten, als schon bisher der Fall war. Und das Mädchen, das durch sein Geschick sich ausgeschlossen sieht von dem natürlichsten und darum befriedigendsten Glück des Lebens, das will man auch noch mit dem Vorwurf, mindestens mit dem Bewußtsein belasten: seine Bestimmung verfehlt zu haben und will es doppelt unglücklich machen, indem man ihm den Glauben an sich selbst nimmt, den Glauben noch eine andere Bestimmung zu haben als die physische, noch einen ändern Wirkungskreis als den, der nur um den einen Mann sich dreht. Und dennoch denken unzählige Eltern nur daran, ihre Mädchen für einen Beruf zu erziehen, den diese möglicher Weise ganz »verfehlen«. Sie haben immer nur eine künftige Ehe im Auge und da mit dieser die Leitung eines Hauswesens und die Mutterschaft und Kindererziehung meist zusammenhängt, so glauben Viele ihr Bestes zu thun, wenn sie die Aufmerksamkeit ihrer Töchter auf diese Punkte lenken. Noch einmal sei es wiederholt: auch wir halten die Ehe, d.h. nur eine rechte, zu wahrhaft gegenseitiger Ergänzung geschlossene, für das höchste Gut des Lebens und für denjenigen Zustand, in dem alle schönsten Anlagen des Gemüthes sich am segensreichsten entwickeln lassen; aber wir finden eben darum in der Ehe eine für beide Theile ganz gleiche menschliche, keineswegs nur eine specifisch weibliche Bestimmung, und so nöthig es ist ein Mädchen über die Pflichten zu belehren, die sie in der Ehe übernimmt, so nöthig wäre dies auch bei dem Manne. Wenn es der Beruf der Frau ist, wie wir vorhin sagten, das Herz einer Familie und der des Mannes, das Haupt derselben zu sein, so liegt eben der gemeinsame, natürlichste Beruf Beider darin, die Familie vereint zu begründen und zu erhalten. Damit übernehmen und lösen Beide eine heilige Aufgabe und wenn darin auch der Frau durch Alles, was mit der Mutterschaft zusammenhängt, die schwerere zu Theil wird, so ist doch der Mann nicht minder als sie für das Glück und moralische Gedeihen der Familie verantwortlich zu machen. Hat doch Mancher seine Familie nur dadurch unglücklich gemacht, daß er nicht wußte, was die Erhaltung einer solchen erforderte und niemals begriff, daß auch die beste und fleißigste Hausfrau einen Hausstand nicht in Blüthe zu erhalten vermag, wenn der Mann nicht eben so rastlos wie sie für die Seinen arbeitet und um ihretwillen sich selbst auch einmal etwas versagen kann. Und was die Kindererziehung betrifft, so macht oft der Unverstand und die Unfähigkeit manches Vaters, Kinder richtig zu behandeln, auch das mühsamste Werk der gewissenhaftesten Mutter zu nichte, und statt sie in ihrem schwierigen Werke durch Rath und That kräftig zu unterstützen, erschwert er es nur durch seine Einfälle, Launen, oder durch Theorien, die sich meist unter den gegebenen Verhältnissen (deutlicher könnten wir auch sagen: mit dem gegebenen Wirthschaftsgeld) nicht ausführen lassen. Es wäre also eben so nöthig, auch der Mann bereitete sich auf die Pflichten vor, die er einer Frau und seinen Kindern gegenüber übernimmt, wie das Mädchen, und es wäre dann noch viel berechtigter, dem ledig bleibenden Mann vorzuwerfen: daß er eine seiner Lebensaufgaben nicht erfülle, wie dem ledig bleibenden Mädchen, denn bei dem Mann ist jenes eine Sache der freien Wahl und bei diesem nur zu oft Sache des Geschickes.

Aber wie man nicht den Mann, der ohne Lebensgefährtin bleibt, der keine Familie gründet, deshalb als unnützes Mitglied der menschlichen Gesellschaft betrachtet, da er ja doch einen Wirkungskreis hat, ein nützliches Mitglied des Staates und im Grunde für das, was er thut, Niemandem verantwortlich ist, als sich selbst – so muß auch für Mädchen das gleiche Recht in Anspruch genommen werden. Auch für die Mädchen, welche ledig bleiben wollen oder müssen, ist die gleiche Achtung zu beanspruchen. Auch sie müssen sich einen Wirkungskreis suchen können, der ihrem Leben einen Inhalt giebt, ihre Existenz sichert und sie zu nützlichen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft macht, auch sie darf man nicht mit dem immer erneuten Fluch belasten, ihre Bestimmung verfehlt zu haben. Man muß daher aufhören, jene reizenden Bilder des Frauenlebens, die wir vorhin aufrollten, der jungen Mädchenwelt als dasjenige zu zeigen, was ihrer in der Zukunft warte und worauf sie sich allein vorzubereiten hätten, man muß ihnen nicht mehr sagen, daß sie nur dazu auf der Welt wären, einem Mann zu gefallen und ihn zu fesseln, Hausfrauen und Mütter zu werden, sondern man muß ihnen zeigen, daß auch sie sich Selbstständigkeit und einen nützlichen Wirkungskreis erringen können, daß auch sie nicht nöthig haben, über ein verlornes Leben zu klagen, ; wenn ihnen das Glück der Ehe nicht zu Theil wird.[…]

Die Unzulänglichkeit der gegenwärtigen weiblichen Erwerbszweige […].
Aber wie wenig Gelegenheit finden sie [die Frauen] zum Erwerb, auch wenn sie denselben suchen wollen mit Aufgabe ihrer häuslichen Existenz!

Die meisten Mädchen, die eine oberflächliche Erziehung genossen haben und nicht so weit vorgebildet sind, um eine Stelle als »Gouvernante« ausfüllen zu können, suchen eine solche als »Bonne« oder »Erzieherin,« oder »Mamsell,« wie der andere Kunstausdruck lautet. Kommt ein solches Mädchen, das von Allem etwas und meist Nichts ordentlich gelernt hat, in eine Familie, so weiß man dann oft nicht, ob man mehr die Familie bedauern soll, welche einem so dilettantenhaft gebildeten Mädchen die Aufsicht über ihre Kinder, wohl gar deren Erziehung anvertraut, – oder das Mädchen, das tausend Ansprüche an sich gemacht sieht, die alle zugleich zu befriedigen fast eine Unmöglichkeit ist! Wie fast immer im planlosen Frauenleben, entscheidet auch hier nur der Zufall, natürliche Begabung und der gute Wille, ob ein günstiges Resultat erreicht wird. Betrachten wir uns doch einmal diese Verhältnisse ein wenig näher. Wer eine »Bonne« engagirt, wünscht gewöhnlich Gouvernante, Kammer Jungfer und Kindermädchen in einer Person zu vereinigen. Es sind einige kleine Kinder im Hause, die noch nicht oder nur zum Theil das schulpflichtige Alter erreicht haben. Die Mutter ist abgehalten sich ihnen ganz zu widmen – im schlimmem Falle durch Bequemlichkeit und gesellige Bedürfnisse, im bessern durch einen mit dem Geschäft des Mannes verknüpften großen Hausstand, durch Kränklichkeit oder ein kleines, vielleicht auch kränkliches Kind. Wir verdenken ihr dann nicht, daß sie sich nach einer Gehilfin umsieht; es ist sogar ihre Pflicht, es zu thun, sobald es die Verhältnisse erlauben. Eben so wenig verdenken wir ihr, daß sie statt einer vorurtheilsvollen, vielleicht abergläubischen Kinderfrau, oder eines leichtfertigen Kindermädchens, ein Mädchen von besserer Bildung wünscht, dem sie vertrauensvoll die Kinder überlassen kann. Nehmen wir also an, daß ein Hausmädchen existirt für die Küche, Wäsche und andere gröbere Arbeiten und für das kleinste Kind eine Amme oder ein Kindermädchen, das ausschließlich von dessen Bedürfnissen in Anspruch genommen wird. Was wird nun von der Bonne Alles verlangt? Sie muß bei den größern Kindern schlafen, früh sie wecken, ankleiden helfen und den ganzen Tag über beaufsichtigen. Sie muß Französisch verstehen, um es den Kindern »spielend« – wie der Kunstausdruck lautet – mit zu lehren, außerdem aber Schneidern, Putzmachen, Gardinen aufstecken, plätten, nähen und alle weiblichen Handarbeiten verrichten, Alles besorgen, was zur Kleidung der Kinder und zur Haustoilette der Hausfrau gehört; vielleicht muß sie diese auch frisiren und ankleiden, wenn nicht täglich, doch für die Gesellschaft. Vielleicht muß sie auch mit bei der Wäsche helfen, stärken und mit auf die Rolle gehen, in der Küche jedenfalls, wenn es etwas mehr als gewöhnlich zu thun giebt. Außerdem muß sie mit den Kindern spazieren gehen und immer bereit sein »spielend« ihre Anliegen und Einfälle zu befriedigen: ihre Puppensachen nähen, ihre Spiele leiten, Alles aufräumen, was sie herumwerfen, für Alles stehen, was sie zerreißen oder sonst umbringen, wo möglich jeden Schaden wieder heilen, den sie anrichten und das Alles mit der liebevollsten und freundlichsten Miene – denn dazu hat man sie ja! Selten darf sie den Kindern etwas verbieten, abschlagen, noch weniger sie bestrafen, dazu haben die Eltern allein das Recht. Sind aber die Kinder unartig, so fällt die Hauptschuld allein auf die Bonne. Dies letztere bezeichnet schon den Standpunkt, den sie im Hause einnimmt. Wenn die Kinder mit am Tische essen, so hat sie das gleiche Recht – gewiß aber verschwindet sie mit ihnen, wenn Besuch kommt. Diesem gegenüber wird sie nicht besser als jeder Dienstbote behandelt; sie darf nur im Zimmer erscheinen, wenn sie zum Serviren, zur Theebereitung u.s.w. gebraucht wird und dann sitzt sie nicht mit am Tische, sondern hält sich abseits in einer dunkeln Ecke oder am Büffettisch auf. Die Besuchenden wissen kaum, ob es vergönnt ist sie zu grüßen. So wie von der Herrschaft wird sie auch von der Dienerschaft behandelt. Niemand thut ihr eine Handreichung, sie mag sich Alles selbst machen – ist aber etwas versehen, so wird sie von beiden Seiten dafür verantwortlich gemacht. Wenn die Dienstmädchen etwas verdorben oder vergessen haben, schieben sie es auf die »Mamsell« hinter ihrem Rücken oder sagen ihr in’s Gesicht: sie hätte es ja wissen oder thun können, »die Madame« habe es ihr gewiß gesagt – und diese wirft ihr wieder vor: sie habe doch auf die Mädchen aufpassen können u.s.w., ohne sich darum zu kümmern, daß jene geradezu sagen: die Mamsell »habe ihnen nichts zu befehlen«.

Nehmen wir nun auch an, daß ein geschicktes Mädchen schon in der eignen Familie sich die meisten Fertigkeiten aneignen kann, die als Mamsell von ihr gefordert werden, so muß sie doch wenigstens Französisch, Clavierspiel, vielleicht auch Schneidern und Putzmachen erst durch bezahlten Unterricht gelernt haben und überhaupt einen Grad der Bildung besitzen, der sich entweder nur durch Erziehung im Schooße einer gebildeten Familie oder sehr schwer in anderen wechselnden Verhältnissen erreichen läßt. Keineswegs also ist jedes Mädchen zu einer solchen Stellung befähigt und wenn es auch keiner allzugroßen Vorbereitung dazu bedarf, so ist doch immer für die einzelnen Zweige Lehr- und Stundengeld aufgewendet worden, das sich nun verinteressiren muß. Es sind die Töchter von Beamten, Pastoren, Advocaten, Künstlern, Privatgelehrten und kleinen Kaufleuten, die nach einem solchen Lebensunterhalt streben, entweder weil das Einkommen der Väter nicht ausreicht sie zu ernähren, oder weil sie denselben verloren haben.

Und was ist nun bei Bildungsgrad, Leistungsfähigkeit und Behandlung wie geschildert, meist der Lohn für solche Mühsal? – Die Feder sträubt sich es zu fragen!

Sechzig bis achtzig, höchstens hundert Thaler jährlich – dazu kommen im besten Falle noch Weihnachtsgeschenke, aber fast nie wird das Gesammteinkommen viel über hundert Thaler betragen. Dafür wird nicht nur die ganze Freiheit – es giebt keine Ferien und Feiertage, von den letzteren gestattet vielleicht einer um den ändern einen Kirch- und freien Ausgang – und die ganze Arbeitskraft eines Mädchens verkauft, sondern es wird auch »anständige« Kleidung gefordert, deren Verbrauch bei den vielen wirtschaftlichen Leistungen und der Kindernähe kein geringer ist, indeß meist die Zeit fehlt, für sich selbst zu nähen und auszubessern.

Und wenn irgendwo eine solche Stelle angekündigt wird, findet leicht eine Concurrenz von hundert Bewerberinnen statt! Daraus kann man schließen, wie viele Mädchen es giebt, die zu einem solchen Erwerb genöthigt sind, genöthigt sich für den schlechtesten Gehalt auch noch der schlechtesten Behandlung Preis zugeben!

Fast giebt es kein Verhältniß, in dem die Arbeitskraft des Mannes in gleichem Grade ununterbrochen in Anspruch genommen würde, als es in der geschilderten Stellung im Frauenleben geschieht – freilich immer wieder sanktionirt durch das Herkommen, nach welchem die musterhafte deutsche Hausfrau und danach auch jede, welche ihr beisteht, sei es die Tochter oder die Dienerin – keine Ruhestunden kennen darf. Diese Einrichtung beruht aber meist nur in einer mangelhaften Zeiteintheilung, durch welche die Notwendigkeit, zuweilen müßig zu warten und die üble Gewohnheit warten zu lassen, entsteht. Wenn man die mitten im häuslichen Walten und Schalten so verwartete und vertrödelte Zeit nur allein zusammenrechnet, die verlernen Minuten, deren Flucht man kaum bemerkt, und nun vollends die Stunden, die durch zwecklose und selten unterhaltende Besuche, sowohl im Abstatten als Empfangen derselben verloren gehen, so kommt eine ansehnliche Tageszeit heraus, von der eine nützliche Anwendung gemacht werden könnte. Die Zeit ist ein Capital, das man am allersorgfältigsten hüten sollte. Es gilt darum doppelt für das weibliche Geschlecht, dieselbe nicht allein zusammenzunehmen, sondern sie auch für sich selbst höher zu verwerthen, d.h. etwas zu lernen und zu treiben, das für die Zukunft diese höhere Verwerthung sichert. Die Sitte, die meiste Frauenarbeit und alle weiblichen Leistungen so schlecht, wie es geschieht, zu bezahlen, entsteht einmal aus der übergroßen Concurrenz in den wenigen ihr bisher zugänglichen Fächern, andererseits aus dem Pochen auf die Mäßigkeit und Anspruchslosigkeit des weiblichen Geschlechts, das mit Wenigem zufrieden ist, weil – es dies sein muß.

In den gebildeten Ständen finden die Töchter nur in der Kunst, in der Literatur und im Lehrfach für sich eine Quelle des Erwerbes. Aber wehe den Unglücklichen, die sich nur um des Erwerbes willen, ohne Begeisterung und ohne Talent dahin wagen. Sie werden es im besten Falle kaum zu mittelmäßigen Leistungen bringen – und wenn man namentlich über so viele beim Theater untergehende, in der Literatur nur das Oberflächlichste leistende Frauen klagt, so liegt der Schlüssel dazu darin: alle diese hätten sich nie auf der Bühne oder in der Literatur versucht, wenn ihnen ein anderer Beruf zugänglich gewesen wäre. […]

Die Stellung der Töchter in der Familie neben den Söhnen
In den sogenannten unteren Ständen werden deshalb die Ehen überhaupt leichter geschlossen, weil es da schon üblich ist, daß Jungfrau wie Junggeselle, Frau wie Mann sich die Mittel ihrer Existenz selbst erarbeiten und erwerben und daß sie auch in der Ehe beide thun müssen, was sie unverheirathet gethan: fortarbeiten für den Erwerb. Ein Gleiches auch in den höheren Ständen einzuführen ist unser Streben. Wir haben schon im ersten Abschnitt gezeigt, wie dasjenige Mädchen, das einen Beruf, einen Lebenszweck hat, das sich selbst erhalten und Ändern nützen kann, sich nur aus Liebe verheirathen wird. Daß sie dann, wenn sie sich bewußt ist ihrem Mann einen Theil seiner Sorgen für die gemeinschaftliche Existenz abnehmen zu können oder, wo dies nicht nöthig sein sollte, doch eben die Fähigkeit dazu besitzt, sich gesicherter fühlt gegen alle Wechselfälle des Geschicks, als ohne dies Bewußtsein. Dies allen Mädchen und Frauen zu geben ist der Zweck unsers ganzen Strebens, nur dadurch können sie wahrhaft befreit werden – jeder Emancipationsversuch, der auf einer ändern Basis ruht, ist – Schwindel.

Es müssen darum, da, wie wir im vorigen Abschnitt zeigten, die gegenwärtigen Erwerbsquellen für das weibliche Geschlecht unzureichend sind, demselben neue geöffnet werden, aber was noch wichtiger, es müssen auch die Mädchen zu der Benutzung derselben vorbereitet werden.

Ein Familienvater, der, sei es nun als Staatsbeamter oder in einem Fabrik- oder anderen Geschäft, einen anständigen Gehalt, eine bestimmte Einnahme im Jahre hat, wird vor allen Dingen darauf bedacht sein, seinen Kindern eine gute Erziehung zu geben, er wird Alles, was ihm nach Befriedigung der nöthigen Lebensbedürfnisse übrig bleibt, auf ihre Bildung verwenden – denn die Verhältnisse sind heutzutage selten, welche den Familienvätern gestatten ein Kapital für ihre Kinder zurückzulegen und es hat auch gegenwärtig mehr als je der Satz seine Berechtigung: Fertigkeiten und Kenntnisse sind das beste Kapital. Aber darum muß auch dieses ein gewissenhafter Familienvater seinen Kindern zu gleichen Theilen zukommen lassen, er muß sie damit so gleich bedenken, wie er sie in seinem Testament bedenken würde. Das Erbe zwischen Söhnen und Töchtern ungleich zu vertheilen -wir lassen die mittelalterlichen Bestimmungen der Majorate und Fideicommisse als allmälig doch zu überwindende Einrichtungen beiseite – würde man als schreiende Ungerechtigkeit verurtheilen – dagegen aber, daß an die Ausbildung der Söhne Alles, an die der Mädchen fast nichts gewendet wird, erheben sich nur sehr wenige Stimmen. Auch diejenigen Eltern, die Hunderte jährlich an ihre Söhne wenden, thun dies meist auf Kosten der Töchter – an ihnen muß erspart werden, was jene verbrauchen. Für die Knaben wird und muß immer Rath geschafft werden, sie zum Weg durch’s Leben vorzubereiten – für die Mädchen macht man sich keine Sorgen, die überläßt man ihrem Schicksal! Oder wenn es die Mittel erlauben, so thut man sie vielleicht auch ein Jahr nach der Confirmation in ein Institut, in dem sie oft nur lernen sich in hohlen Formen zu bewegen und neben reicheren Genossinnen Ansprüche zu machen, die weit über ihre Verhältnisse hinausgehen. Man läßt sie vielleicht, sei es in oder außer dem Institute, Sprachen, Musik und Zeichnen lehren, aber Alles nicht gründlich, sondern nur, um auch durch den untergeordnetsten Dilettantismus sich den Anstrich der Bildung zu geben, um damit sich das Leben zu verschönern, die Zeit zu vertreiben – im besten Falle. Als ob nicht die Zeit ein so kostbares Gut wäre, daß man nur darauf zu sinnen hätte, wie man sie auskaufte, ersparte, benutzte, nicht aber wie man sie vertriebe! Als ob das Leben nicht so ernst wäre, daß dem Schönen das Nützliche vorangehen müsse! Als ob nicht das ganze Menschenthum so eingerichtet wäre, daß vorerst jedes Individuum die Pflicht hat durch Arbeit und Anstrengung sich selbst das Recht zum Genuß zu erwerben! Als ob nicht gerade die Aufgabe der Frauen, selbst wenn man nur ihre körperliche im Auge hat, so viel Kraft, Willensstärke und Entsagung erforderte, daß eine nur vertändelte Jugend eine sehr wenig zweckmäßige Vorbereitung dazu ist. […]

Und frage man nur, ob dies scheinbar glückliche, theils im Nichtsthun, theils in resultatloser Geschäftigkeit oder in der Jagd nach Vergnügungen und dem durch sie hervorgerufenen Taumel verbrachte Leben, diese bevorzugten Mädchen wirklich befriedigt, ob es wirklich beneidendswerth ist? Sie bringen ihre Tage meist in zwecklosem Thun unbefriedigt hin, sorglos freilich – aber das ist ein Glück, das diejenigen nicht zu schätzen wissen, die noch keine Sorgen gekannt – dagegen drückt sie immerhin ein Gefühl nicht nur der Abhängigkeit von den Ihrigen, sondern der peinlichsten Unselbstständigkeit gerade in den Kleinigkeiten des alltäglichen Lebens, ein Gefühl des Unterdrücktseins, das besonders bei Mädchen, welche Brüder haben, im Gegensatz zu der diesen gestatteten Freiheit bemerkbar wird. Auch bei solchen bevorzugten Mädchen entwickelt sich der Wunsch ein Knabe oder Mann zu sein, weil diese, der kleinlichen Bevormundung enthoben, nicht nur ihren Lern- und Bildungstrieb befriedigen, sondern auch ihr Leben in ganz anderer Weise ungestraft genießen dürfen. Was man an den Töchtern oft mit Recht – auf das Strengste rügen würde, wird den Söhnen, – oft mit eben so viel Unrecht, nachgesehen – seufzend oder lächelnd – das Nachsehen bleibt immer dasselbe – und verdirbt in den meisten Fällen die Knaben, wenn nicht wirklich sittlich, doch zu rohen egoistischen Männern und den Mädchen flößt es Unzufriedenheit ein mit der eigenen Lage oder Verbitterung gegen das männliche Geschlecht.

Jene Ungleichheit im Kostenpunkt zwischen Töchtern und Söhnen soll freilich dadurch ausgeglichen werden, daß wenn eine Tochter heirathet, dieselbe eine Aussteuer mit bekommt, die, je nach den Verhältnissen, mehr oder weniger kostspielig ausfällt. Aber wenn sie nun nicht heirathet? – dann wird nicht daran gedacht sie irgendwie zu bedenken, ja, wenn die Ausstattung der einen Schwester vielleicht gerade darum, weil sie eine »gute Partie« macht und man nicht allein der Welt, sondern auch dem Bräutigam gegenüber den Schein des Reichthums bewahren will, tausend Thaler und mehr betragen mag, wird die unverheirathet bleibende Schwester nicht einmal wagen dürfen auf ein paar hundert Thaler Anspruch zu machen, um sich dadurch irgend eine selbstständige Existenz zu gründen. Dann stirbt vielleicht der »Versorger« der Familie, sie hat vergebens auf einen neuen für sich gewartet und das karge Erbe wird dann gleich getheilt zwischen ihr und den verheiratheten Schwestern, welche ihre Ausstattung voraus und den Brüdern, deren Studien eben so viel und mehr gekostet haben. Vielleicht bietet ihr dann eines dieser versorgten Geschwister in seinem Hause eine Freistatt und das Gnadenbrot an, das sie mit tausend Demüthigungen und Selbstüberwindungen dankbar hinnehmen muß – und dann wundert man sich noch über die Verbitterung solcher »alten Jungfern!« […]

Selbständigkeit
Der Selbstständigkeit des weiblichen Geschlechtes widersetzen sich viele Frauen und Männer nur darum, weil sie meinen das Familien – ja das Staatsleben könne darunter leiden, die Frauen könnten die schönsten Eigenschaften weiblichen Wesens verlieren wenn sie mehr als bisher zur Selbstständigkeit erzogen, wenn sie in Wahrheit selbstständig würden. Wir aber erwarten gerade das Gegentheil davon, wenn nämlich, wie schon angedeutet, die Erziehung auch eine solche ist, wie sie sein soll, eine, welche den Charakter zu unterstützen sucht und weder das Gemüth noch den Verstand einer einseitigen Ausbildung unterwirft. Gerade die Biographieen geistig hervorragender, wirklich selbstständig gewordener Frauen lehren uns, was uns auch die Erfahrung alle Tage lehren kann, daß dieselben zugleich die besten Gattinnen und Mütter waren, lehren uns, daß sie reich waren an Opfern, an Liebe und Begeisterung sowohl für einzelne ihnen nahestehende Menschen, wie für die Menschheit und ihre großen Zwecke selbst, während es gerade die auf einen kleinen Kreis angewiesenen, in Unmündigkeit gehaltenen Frauen sind, welche von dem engherzigsten Egoismus beherrscht, der nie weiter sieht als über die Grenzen des Hauses, zum Hemmschuh oft auch für das edelste Streben der besten Männer, ja daß sie geradezu oft zum Fluch, zum Verderben derselben werden. Eine Frau, welche keine andere Welt kennt und kennen darf als die ihres Hauses, wird auch stets beflissen sein den Mann da zurückzuhalten, wo er im Begriffe ist diese kleinen Interessen denen seines Vaterlandes, seines Berufes unterzuordnen. Sie wird ihn zurückhalten mit jenem Schein von Recht und Gewissen, den gerade ihre Beschränktheit um sie gebreitet – sie wird ihm sagen, daß er zuerst an seine Familie denken müsse, ehe er weiter strebe, daß er pflichtvergessen handele, wenn er etwas thue was seiner Familie d. h. seiner Stellung in Amt und Würden oder seinen Finanzen schaden könne. Und sie wird vollständig im Rechte sein so zu urtheilen und zu handeln, so lange ihr selbst kein Verständniß aufgegangen ist für höhere Interessen, so lange sich ihre Familienliebe nicht zur Vaterlands- und Menschheitsliebe erweitern konnte.

Nicht darum wollen wir das Weib aus dem beschränkten Räume des Hauses und einem in seiner Stille geführten Traumleben hinaustreiben in die größeren Kreise des wirklichen Lebens, damit es seine schöneren Eigenschaften im Lärm eines realistischen Treibens verliere – sondern wir wollen dies gerade darum, damit es in diesem jene zur Geltung bringe, sich ihrer bewußt werde und nicht allein am häuslichen Heerd, sondern auch am Opferaltar im Tempel des Vaterlandes die priesterliche Hüterin der heiligen und heiligenden Flamme der Begeisterung sei, ohne welche die ganze Menschheit verloren ist! Denn die Fähigkeit der Begeisterung ist jenes Ewig-Weibliche, das wir als die schönste Mitgabe des weiblichen Geschlechts betrachten, das Ewig-Weibliche, das nicht allein die Männer, sondern die ganze Menschheit höher hinanzieht zum Ziel der Vollendung. Denn nur durch die edlere Gestaltung des Familienlebens, welches die Grundlage des Staatslebens ist, kann dieses selbst sich in würdiger Weise entfalten. Nur durch das gemeinsame Wirken von Mann und Weib, nur durch die Gleichberechtigung beider Geschlechter in allen Dingen, wo nicht die Natur, die Mann und Weib verschieden schuf, eine Grenze setzte, kann das Menschheitsideal endlich erreicht werden, dem bewußt oder unbewußt die Völker entgegenstreben. […]

(Quelle: Otto-Peters, Louise (1849): Das Recht der Frauen auf Erwerb. – In: Frauenarbeit und Beruf. – Brinkler-Gabler, Gisela [Hrsg.]. Frankfurt/M. : Fischer-Taschenbuch-Verl., 1979, S. 111 – 123)

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